Einvernehmliche Scheidung vs streitige Scheidung
Wie kann ich mich scheiden lassen? Einvernehmliche Scheidung vs streitige Scheidung
Im Jahr 2021 ließen sich laut Statistik Austria 14.510 Paare in Österreich scheiden, 85,8% der Scheidungen erfolgten einvernehmlich[1]. Scheidungen im Einvernehmen sind damit hierzulande die häufigste Scheidungsart. Es ist jedoch nicht immer ein Einvernehmen zwischen den Parteien möglich. Das österreichische Familienrecht kennt daher neben einvernehmlichen Scheidungen auch streitige Scheidungen, bei denen wiederum zwischen diversen Arten differenziert wird. Eines haben allerdings alle Arten von Scheidungen gemeinsam: Sie beenden die Ehe durch gerichtliche Entscheidung.
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Einvernehmliche Scheidung
Eine einvernehmliche Scheidung gemäß § 55a EheG ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
- Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr
- Zugeständnis der unheilbaren Zerrüttung durch beide Ehepartner
- Bei gemeinsamen minderjährigen Kindern: Absolvierung einer Elternberatung
- Einigung über die wesentlichen Scheidungsfolgen
Im Rahmen der Einigung über die wesentlichen Scheidungsfolgen ist eine schriftliche Vereinbarung über die Themen Obsorge und Kontaktrecht betreffend gemeinsame minderjährige Kinder, Ehegatten- und Kindesunterhalt sowie über die Vermögensaufteilung (Ehewohnung, Hausrat, Sparguthaben, Lebensversicherungen, Gemäldesammlungen etc) abzuschließen. Jene Themen, die bei einer streitigen Scheidung in eigenen Verfahren zu klären sind, bilden somit den Gegenstand eines einzigen Vertrages, des sogenannten Scheidungsfolgenvergleichs.
Der Vorteil dieser Scheidungsart liegt zum einen darin, dass es sich, im Vergleich zu anderen Scheidungsarten, um ein rasches und kostengünstiges Verfahren handelt. Zum anderen müssen dem Gericht keine Details aus dem Eheleben mitgeteilt werden. Diese Gründe verdeutlichen, weshalb die überwiegende Zahl der Ehescheidungen in Österreich seit Jahren[2] im Einvernehmen erfolgt.
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Streitige Scheidung
Ist eine Einigung über die wesentlichen Scheidungsfolgen in Form einer einvernehmlichen Scheidung in der zumeist hochemotionalen Situation einer Trennung nicht möglich, kommt eine streitige (strittige) Scheidung in Betracht.
Streitige Scheidungen sind in Form einer Verschuldensscheidung, einer Heimtrennungsscheidung oder einer Scheidung aus anderen Gründen möglich. Wie die einvernehmliche Scheidung setzen alle Arten der streitigen Scheidung eine unheilbare Zerrüttung voraus.
Die Scheidung aus Verschulden nach § 49 EheG bedarf, wie der Name sagt, zusätzlich eines Verschuldens eines Ehepartners am Scheitern der Ehe. Dieser muss sich einer schwere Eheverfehlung (zB Ehebruch, physische oder psychische Gewalt, übermäßige Zuwendung zum Beruf etc) bzw eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig gemacht haben.
Im Gegensatz dazu bedarf es bei der Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (Heimtrennungsscheidung) gemäß § 55 EheG keines Verschuldens. Hier muss jedoch die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben sein.
Auch die Scheidung aus anderen Gründen (§§ 50 und 52 EheG) setzt kein Verschulden voraus. Die Zerrüttung der Ehe kann diesfalls Folge einer auf einer psychischen Krankheit oder Beeinträchtigung basierenden Eheverfehlung sein. § 52 EheG ermöglicht auch eine Scheidung bei besonders schweren ansteckenden oder ekelerregenden physischen Erkrankungen.
Im Vergleich zur einvernehmlichen Scheidung können streitige Scheidungen, vor allem weil Details aus dem Eheleben zu erheben sind, zumeist nicht besonders rasch durchgeführt werden. Erfolgt ein Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil hat dies insbesondere auch Auswirkungen auf einen möglichen Anspruch auf Ehegattenunterhalt. Darüber hinaus
erfolgt die Regelung der weiteren Scheidungsfolgen (Obsorge, Kontaktrecht, Ehegatten- und Kindesunterhalt sowie Vermögensaufteilung) bei einer streitigen Scheidung zumeist in gesondert zu führenden gerichtlichen Verfahren.
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Fazit
Eine Scheidung will gut überlegt sein. Die Kenntnis der Scheidungsarten, ihrer jeweiligen Voraussetzungen und Rechtsfolgen ist von essentieller Bedeutung für das Gelingen Ihres Starts in eine neue Lebensphase. Um (finanzielle) Nachteile möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Als Rechtsanwältin für Scheidungsrecht berate und vertrete ich Sie vor Gericht, unabhängig davon, ob eine einvernehmliche oder streitige Scheidung im Raum steht.
Dieser Artikel (siehe auch den Artikel Der Scheidungshund – Haustiere im Scheidungsrecht) enthält lediglich allgemeine Informationen und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Der Inhalt wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt, eine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität ist ausgeschlossen. Bezeichnungen in männlicher Form beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.
Die Autorin:
Dr. Yvonne Haidl ist Rechtsanwältin in Wien. Spezialisiert auf Familienrecht, Medizinrecht und Zivilrecht unterstützt sie Privatpersonen und Unternehmen bei der Durchsetzung ihres Rechts.
[1] Quelle: Statistik Austria, https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/ehen-und-eingetragene-partnerinnenschaften/ ehescheidungen-und-aufloesungen-von-eingetragenen-partnerinnenschaften und https://view.officeapps.live.com/op/view.aspx?src=https%3A%2F%2Fwww.statistik.at%2Ffileadmin%2Fpages%2F417%2FScheidungen__Aufloesung_eingetr.__Partnerinnenschaften.ods&wdOrigin=BROWSELINK.
[2] Quelle: Wie FN 1.