Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz ab 1.1.2022

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Verbrauchergewährleistungsgesetz ab 1.1.2022

 

Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz ab 1.1.2022

Headerbild: © Eakrin, Adobe Stock

Mit 1.1.2022 wird das österreichische Gewährleistungsrecht grundlegend reformiert. Die Änderungen wurden infolge der Umsetzung der „Digitale-Inhalte-Richtline“[1] und der „Warenkauf-Richtlinie“[2] in das innerstaatliche Recht erforderlich. Diese erfolgte im Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG), mit dem das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz erlassen sowie Änderungen im Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und im ABGB umgesetzt wurden. Der vorliegende Artikel befasst sich mit den wesentlichen Neuerungen im Rahmen des neuen Verbrauchergewährleistungsgesetzes.

  1. Das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG)

    • Was regelt das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG)?

Das VGG gilt zwischen Unternehmern und Verbrauchern und regelt gemäß § 1 VGG:

  • Kaufverträge über Waren (also bewegliche körperliche Sachen) und
  • Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen gegen eine Zahlung oder gegen die Hingabe von personenbezogenen Daten des Verbrauchers.

Neu ist vor allem, dass auch digitale (Dienst-) Leistungen und Inhalte sowie Waren mit digitalen Elementen ausdrücklich von den gesetzlichen Regelungen umfasst sind. E-Books oder Streaming-Dienste fallen damit beispielsweise ebenso unter das VGG wie der Kauf eines Autos, Handys oder TV-Geräts von einem Unternehmer durch einen Verbraucher.

  • Was ist nicht vom Anwendungsbereich des VGG umfasst?

In § 1 Abs 2 VGG werden einige Verträge ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Das VGG gilt zum Beispiel nicht für Verträge über:

  • den Kauf lebender Tiere
  • Gesundheitsdienstleistungen
  • Glücksspieldienstleistungen
  • Finanzdienstleistungen
  1. Die Besonderheiten des VGG im Überblick

    • Aktualisierungspflicht und Änderungsrecht betreffend „Waren mit digitalen Elementen“ und digitale Leistungen

Nach § 2 Z 4 VGG handelt es sich bei Waren mit digitalen Elementen um „bewegliche körperliche Sachen, die ihre Funktionen ohne die in ihnen enthaltenen oder mit ihnen verbundenen digitalen Leistungen nicht erfüllen können“, wie zB Smart-TV, Sprachlehrbuch mit CD etc.

„Bei Waren mit digitalen Elementen sowie bei digitalen Leistungen haftet der Unternehmer auch dafür, dass dem Verbraucher […] jene Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht“ (§ 7 Abs 1 VGG). Diese Pflicht zur Bereitstellung von „Updates“ besteht gemäß § 7 Abs 2 VGG während des vertraglich vereinbarten Zeitraums oder solange der Verbraucher die Aktualisierungen „unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags vernünftigerweise erwarten kann“.

Digitale Leistungen werden zumeist fortlaufend über einen längeren Zeitraum bereitgestellt. Um den zwischenzeitig eingetretenen technischen oder sonstigen Neuerungen gerecht zu werden, räumt § 27 VGG Unternehmern unter bestimmten Voraussetzungen ein – über die in § 7 VGG normierte Aktualisierungspflicht hinausgehendes – Änderungsrecht ein.

  • Unter welchen Voraussetzungen ist eine Abweichung von „objektiv erforderlichen Eigenschaften“ möglich?

Die Ware oder digitale Leistung hat neben den vertraglich vereinbarten Eigenschaften zusätzlich objektiv erforderliche Eigenschaften zu erfüllen. Eine wesentliche Neuerung ist, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Abweichung von den objektiv erforderlichen Eigenschaften möglich ist.

Eine vertragliche Abweichung ist gemäß § 6 Abs 1 VGG zulässig, wenn

  • der Verbraucher „von dieser Abweichung eigens in Kenntnis gesetzt wurde“ und
  • der Abweichung bei Vertragsabschluss „ausdrücklich und gesondert zustimmt“.

 

  • Wie lange wird die Mangelhaftigkeit vermutet?

Im Anwendungsbereich des VGG besteht für Mängel, die binnen 1 Jahres nach der Übergabe hervorkommen, die gesetzliche Vermutung, dass sie bereits bei der Übergabe vorhanden waren. Bei fortlaufend bereitzustellenden digitalen Leistungen gilt diese Vermutung für die gesamte Dauer der Bereitstellung (§§ 11, 19 VGG). Das bedeutet, dass der Unternehmer während dieses Zeitraums zu beweisen hat, dass der Mangel nicht schon im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Nach Ablauf des Jahres obliegt die Beweislast dem Verbraucher.

Gänzlich neu im Gewährleistungsrecht ist die Regelung in § 19 Abs 4 VGG. Dieser zufolge trifft den Verbraucher „zur Prüfung der Frage, ob ein als Mangel erscheinender Fehler bei der Nutzung der digitalen Leistung von der digitalen Umgebung des Verbrauchers verursacht wird, in einem dafür vernünftigerweise notwendigen und möglichen Ausmaß“ eine Mitwirkungsobliegenheit.

  • Wie lange kann Gewährleistung geltend gemacht werden?

Um Gewährleistung geltend machen zu können, muss der Mangel binnen der Gewährleistungsfrist hervorkommen. Diese beträgt 2 Jahre ab Übergabe der Ware bzw Bereitstellung der digitalen (Dienst-) Leistung oder Inhalte (§§ 10, 18 VGG).

Für die Geltendmachung des Gewährleistungsrechts gewährt der Gesetzgeber nunmehr jedoch mehr Zeit: Bei Sachmängeln konkret 3 Monate ab Ablauf der Gewährleistungsfrist. Bei Rechtsmängeln beträgt die Frist für deren Geltendmachung 2 Jahre ab Kenntnis des Verbrauchers vom Mangel (§ 28 Abs 1 und 2 VGG).

  1. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht des ABGB und KSchG?

Die allgemeinen gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen im ABGB und die für Verbraucher geltenden Sonderbestimmungen im KSchG sollen (mit Anpassungen) im Wesentlichen bestehen bleiben.

Bei der Anwendung des österreichischen Gewährleistungsrechts sind damit künftig drei verschiedene gesetzliche Grundlagen zu beachten. Das VGG ist kein abschließendes Regelungswerk, ABGB und KSchG bleiben daher neben dem VGG anwendbar. Die spezielleren Bestimmungen des VGG gehen dabei den allgemeineren gewährleistungsrechtlichen Regeln im ABGB und KSchG vor.

  1. Fazit

Mit dem neuen Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) wurde ein inhaltlich weitgehend dem ABGB angenähertes Regelungswerk, welches jedoch einzelne detaillierte Bestimmungen, insbesondere für den Bereich digitaler Leistungen enthält, geschaffen. Es wird sich zeigen, ob die Existenz von drei verschiedenen gesetzlichen Regelungsbereichen die Rechtsanwendung erleichtert. Jedenfalls wird die richtige rechtliche Qualifikation von Verträgen, insbesondere von gemischten Verträgen, die zB Elemente von Kauf- und Werkverträgen enthalten, künftig wesentliche Auswirkung auf den Erfolg der Rechtsdurchsetzung haben.

 

Als Ihr Rechtsanwalt für Zivilrecht in Wien stehe ich Ihnen zur Verfügung, falls Sie Gewährleistungsrechte geltend machen möchten oder sich mit ungerechtfertigten Ansprüchen konfrontiert sehen.

Dieser Artikel enthält lediglich allgemeine Informationen und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Der Inhalt wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt, eine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität ist ausgeschlossen. Bezeichnungen in männlicher Form beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.

 

Die Autorin:
Dr. Yvonne Haidl ist Rechtsanwalt in Wien. Spezialisiert auf Familienrecht, Medizinrecht und Zivilrecht unterstützt sie Privatpersonen und Unternehmen bei der Durchsetzung ihres Rechts.

 

Wenn Sie rechtlichen Rat und eine zuverlässige Vertretung in ihrer Rechtssache benötigen, vereinbaren Sie einen Termin mit meiner Kanzlei unter 01 / 53 212 53, schreiben Sie mir eine Email an anwalt@ra-haidl.at oder nutzen Sie das Kontaktformular.

 

[1]     Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. Nr. L 136 vom 22.5.2019 S. 1-27 („Digitale-Inhalte-Richtlinie“), CELEX-Nr: 32019L0770.

[2]     Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. Nr. L 136 vom 22.5.2019 S. 28-50 („Warenkauf-Richtlinie“), CELEX-Nr: 32019L0771.

 
 

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