Anwaltspflicht im Zivilverfahren
Anwaltspflicht im Zivilverfahren: In welchen Fällen muss ich einen Rechtsanwalt beiziehen?
Das österreichische Zivilprozessrecht sieht in bestimmten Verfahren zum Schutz der Parteien und zur Beschleunigung des Prozesses vor, dass sie sich durch Rechtsanwälte vertreten lassen. Unterschieden wird zwischen absoluter und relativer Anwaltspflicht.
Absolute Anwaltspflicht
Besteht in einem Verfahren absolute Anwaltspflicht, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend. Dies ist grundsätzlich der Fall
- wenn im Verfahren vor den Bezirksgerichten der Streitwert bei Wertzuständigkeit € 5.000,00 übersteigt
- in allen Verfahren vor den Landes- und Oberlandesgerichten sowie vor dem Obersten Gerichtshof
- im Rechtsmittelverfahren.
Ausnahmen von der absoluten Anwaltspflicht bestehen beispielsweise für den Einspruch im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren und für den Abschluss von Vergleichen, auch wenn der Streitwert über € 5.000,00 liegt.
Relative Anwaltspflicht
Im Gegensatz zur absoluten können Parteien bei relativer Anwaltspflicht selbst Prozesshandlungen vor Gericht vornehmen. Will sich eine Partei im Prozess (siehe Prozessführung) jedoch vertreten lassen, ist dies nur durch einen Rechtsanwalt zulässig. Relative Anwaltspflicht besteht insbesondere dann, wenn wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Sitz am Gerichtsort haben und
- der Streitwert für vermögensrechtliche Verfahren bei Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte € 5.000,00 übersteigt
- in Ehesachen.
Welche Konsequenz hat es, wenn ich trotz Anwaltspflicht keinen Rechtsanwalt beiziehe?
Kommt eine Partei in einem Verfahren trotz Anwaltspflicht ohne Rechtsanwalt zu einer Verhandlung, kann ein Versäumungsurteil ergehen. Um derartige Nachteile, die bis zum Prozessverlust führen können, zu vermeiden, empfiehlt es sich daher frühzeitig rechtliche Beratung und Vertretung in Anspruch zu nehmen.
Dieser Artikel enthält lediglich allgemeine Informationen und kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Der Inhalt wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt, eine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität ist ausgeschlossen. Bezeichnungen in männlicher Form beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.
Die Autorin:
Dr. Yvonne Haidl ist Rechtsanwältin in Wien. Spezialisiert auf Familienrecht, Medizinrecht und Zivilrecht unterstützt sie Privatpersonen und Unternehmen bei der Durchsetzung ihres Rechts.